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Dr. Albrecht Kirsche, Dresden
Glashängeleuchter als Vorbilder erzgebirgischer Hängeleuchter aus Holz
Es scheint, als hätten gestaltetes Glas und Holz kaum Gemeinsamkeiten. In dem Erzgebirgsort Seiffen an der böhmisch-sächsischen Grenze ist dies jedoch anders. Der Ortsname Seiffen deutet auf den Bergbau in diesem Dorf hin, der auf das Auswaschen des Zinnerzes, dem so genannten Ausseifen, zurückgeht. Heute ist Seiffen bekannt durch sein Holzspielzeug und durch Herstellung von gedrechselten Erzeugnissen, wie Engel und Bergmann, Räuchermänner, Nussknacker und Pyramiden. Aber auch Hängeleuchter aus Holz werden hier hergestellt, die denen aus Glas, wie sie in Kamenický Šenov/Steinschönau seit Jahrhunderten entstehen, sehr ähnlich sind. Wie kam es gerade in Seiffen zu einer derartigen gestalterischen Nähe von Glas- und Holzerzeugnissen?
Mit der Besiedlung des Erzgebirges um das Jahr 1200 entstanden auch bei Seiffen mehrere Glashütten. 1488 gegründete man in der Nähe dieses Ortes die Glashütte Heidelbach, die bis 1826 produzierte. Zu den Prunkstücken noch existierender Erzeugnisse dieser Hütte zählen mit Email bemalte Flaschen und Scheiben aus dem 17. Jahrhundert. Akten vom Beginn des 18. Jahrhunderts berichten von teuren, geschliffenen Pokalen. Aber es sind vor allem die Funde, die vom Terrain dieser Hütte geborgen wurden und von ihrem breiten Produktionsprofil zeugen. Dazu gehören neben Resten von einfachem Gebrauchsglas auch bemaltes, geschliffenes, gerissenes, opakes und klares Glas. Jedoch fanden sich auch Teile von Lüstern, die sowohl geblasen als auch geschliffen sind.
Die ersten Drechsler können in Seiffen für das Jahr 1650 nachgewiesen werden. Als die Ausbeute der Bergwerke zurückging, wandten sich die nun arbeitslosen Bergleute dem Drechslergewerbe zu. Um 1760 brachte ein Verleger aus Seiffen so viele Aufträge für gedrechselte Erzeugnisse von der Leipziger Messe mit, dass die Anzahl der Drechsler nicht genügte, um die Aufträge zu erfüllen. In dieser Zeit nutzte der Glasformendreher der Heidelbacher Glashütte seine hervorragenden handwerklichen Kenntnisse, um aus dem Glasformdrehen das Reifendrehen zu entwickeln. Dabei wird ein profilierter Holzreifen gedrechselt, der, schneidet man dieses Reifen radial auf, Tiere der verschiedensten Art, Figuren oder Zubehörteile zeigt. Dieses Reifendrehen ist Ausdruck für das hohe Niveau, das hier die Drechseltechnik erreicht hatte. Zu den hier gedrechselten Erzeugnissen gehören auch Hängeleuchter.
In der Seiffener Kirche befinden sich vier Glashängeleuchter (Bild 1). Von denen der älteste wohl um 1700 in der Glashütte Heidelbach hergestellt wurde. Er besteht aus einer Mittelspindel, acht S-förmigen Armen, die die Kerzen tragen sowie zahlreichen Glasketten und geschliffenen Glasprismen. Derartige Glasarmkronleuchter nennt man in Seiffen „Spinnen“. Die weiteren Glasleuchter sind Kronleuchter ohne Mittelspindel in unterschiedlichen Ausführungen. Im Jahre 1880 eröffnete in Seiffen ein Geschäft, das mit böhmischen Glashängeleuchtern handelte. Die meisten Drechsler konnten sich jedoch einen so teuren Leuchter nicht leisten. Ihre hervorragende Beherrschung der Drechselkunst und der Holzgestaltung, erlaubte ihnen jedoch, die komplizierten Teile der Glashängeleuchter, die sie in der Kirche und in dem Geschäft sahen, nicht nur in Holz nachzubauen, sondern auch eigene Kreationen zu gestalten.
Für eine Holzspinne (Bild 2) wird ein Stab mit zahlreichen Absätzen und Einschnitten gedrechselt. Auf einem besonders breiten Absatz werden die Arme aufgesetzt, die die Kerzen tragen. Zur Herstellung dieser Arme werden Ringe gedreht, die über dem Durchmesser zersägt und wieder S-förmig verklebt werden. Glasketten werden durch aneinander gereihte Perlen oder ähnliche Elemente aus Holz imitiert. Hinzu kommen die dem Glas nachgeahmten Knäufe, die mit kunstvollen Unterbrechungen gedrechselt sind. Bei anderen Leuchtern wurden Ringsegmente um den Mittelstab geklebt oder es sind einfache Kugeln. Die Glasprismen werden als Behang entweder gedrechselt (Bild 3) oder gesägt. Zum Schluss werden die Leuchter farbig bemalt. Manchmal tragen die Prismen Farbstriche, die das bunte Licht andeuten sollen, die die Glasprismen erzeugen.
Anfangs bauten sich die Drechsler Holzhängeleuchter zu ihrer eigenen Freude und beleuchteten damit ihre schlichten Wohnungen. Einige dieser Einzelstücke werden heute im Erzgebirgischen Spielzeugmuseum Seiffen gezeigt. Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts werden derartige Leuchter in kleinen Serien auch für den Verkauf hergestellt. Ihre Größen variieren zwischen wenigen Zentimetern bis zu zwei Metern. Eine Besonderheit ist der so genannte Laufleuchter. Dabei bringen die Kerzen ein Flügelrad zum Drehen, das über einen Metallstab einen Teller bewegt, auf dem sich dann Figuren im Kreis bewegen – eine Pyramide im Holzhängeleuchter.
Derartige Leuchter, in ebenfalls großer Vielfalt, werden auch im Westerzgebirge hergestellt. Hier werden sie jedoch hauptsächlich geschnitzt oder aus dünnen Brettchen ausgesägt. In Seiffen werden sie aus gedrechselten Elementen gestaltet. Vor allem Glasprismen imitierende Teile finden sich auch als Zierelemente an zahlreichen anderen, für Seiffen typischen Erzeugnissen, wie an Pyramiden oder Jochengel.
Diese Elemente, besonders aber die Holzhängeleuchter, vereinigen in sich auf einmalige Weise die Traditionen der Glashütte Heidelbach, des Seiffener Bergbaues und der hiesigen Drechselkunst. Sie sind aber Ausdruck für die hohe Wertschätzung der böhmischen Glashängeleuchter durch die Seiffener Drechsler.
Weitere Informationen zum Thema beim Autor:
Dr. Albrecht Kirsche, Dresden – www.erzgebirgsglas.de
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