Kirchenkronleuchter als Zeitkapsel? von Harald Skala
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Als ich im Jahre 2016 Recherchen über Kronleuchter in den evangelisch-lutherischen Kirchen zwischen Zittau und Löbau zu meinem Buch „Es werde Licht“ (siehe https://www.lightandglass.eu/2017/berichte-articles/neues-buch-new-book/) machte, wurde ich von den zuständigen Pfarrern oft gefragt: Wann und wo wurde unser Kronleuchter hergestellt?
Diese Frage konnte ich oft nicht beantworten. In den Kirchenarchiven sind kaum Rechnungen von Herstellerfirmen zu finden, da die meisten Kronleuchter von Mitgliedern der Kirchengemeinden den Kirchen gespendet wurden.
Zu den ca. 70 Kronleuchtern, die wir für das Buch untersucht hatten, fanden wir nur im Kirchenarchiv von Kottmarsdorf die Rechnung der Fa. Reinhold Palme, ausgestellt am 5. November 1883 im böhmischen Haida (heute Nový Bor/CZ).
An manchen Messingleuchtern sind Angaben über das Jahr der Spende und Namen der Spender an den Kugeln am unteren Ende der Kronleuchter eingraviert. Das können wir in den Kirchen in Obercunnersdorf, Mittelherwigsdorf, Hirschfelde, Bertsdorf, Oybin und Kemnitz sehen.
An Kronleuchtern mit Glasbehang sind manchmal Inschriften an den Glasschalen des Cul-de-lampe zu finden. Beim Leuchter der Kirche in Wittgendorf ist die Glasschale aus rubinfarbigem Glas, die Inschrift in Gold. Die Glasschale des Cul-de-lampe des Spitzkunnersdorfer Leuchters ist innen vergoldet, die Inschrift eingraviert. Ähnlich gestaltet ist der Cul-de-lampe des Kronleuchters der Kirche in Hirschfelde. Auch die Glasschale des Leuchters in Taubenheim ist innen vergoldet, außen sind an beiden Seiten runde, rote Medaillons mit Inschrift in Gold angebracht. Der Cul-de-lampe des Kronleuchters in Leutersdorf ist aus dunkelblauem Glas und hat die Form einer auf den Kopf gestellten Birne. In Gold sind außen florale Motive aufgemalt, im unteren Teil kleine Sterne, die Inschrift in einem Oval ist auch in Gold.
Informationen über Spender und Jahr der Spende sind manchmal auch in Medaillons oder anderen Ziergegenständen, welche in den Aufhängungen der Leuchter angebracht sind, zu finden. Schöne Beispiele sind in den Kirchen von Obercunnersdorf, Kottmarsdorf und Sohland am Rotstein zu sehen.
In einigen Fällen sind die Angaben über den Hersteller im Inneren der Leuchter angebracht, meist an den Holzkonsolen, in die die Glasarme eingesteckt sind. Wir fanden sie an zwei Glaskronen der Kirche in Walddorf und von der gleichen Firma an den Konsolen der Leuchter in Leutersdorf und Bischdorf.
Meist vermutet man, daß die Kronleuchter mit Glasbehängen in den evangelisch-lutherischen Kirchen der südlichen Oberlausitz in Nordböhmen gefertigt wurden. Das gilt jedoch nur für die Glasbehänge. Montiert wurden viele Leuchter in der Oberlausitz. Außer der Firma Adolph Wilhelm in Bautzen, welche die vier oben erwähnten Glaskronen in den Jahren 1854, 1866 und 1867 geliefert hat, montierte die Firma Alwin Franz in Neugersdorf (heute Ebersbach-Neugersdorf) Ende des 19./Anfang 20. Jahrhundert Kronleuchter mit Glasbehang (z. B. Kirche in Eibau 1907). Auch hier kamen die Glasbehänge von Glasmanufakturen aus Nordböhmen (die meisten aus Morchenstern, heute Smržovka/CZ).
Kirche Bischdorf
Einige der Glaskronen in unseren Kirchen sind aber auch kleine Zeitkapseln. Bei Renovierungen wurden im Inneren öfter Zettel gefunden, auf denen Daten über Renovierung, Säuberung oder auch Elektrifizierung vermerkt sind.
Einer der ausführlichsten befand sich in der unteren Kugel des Messingleuchters der Kirche in Spitzkunnersdorf. Der Leuchter wurde der Kirche im Jahre 1716 von Christian Just geschenkt. Der erste Eintrag auf dem Zettel stammt aus dem Jahre 1794. Nachdem das Seil der Aufhängung am 20.8.1794 gerissen war, fiel der Leuchter zum Boden und wurde stark beschädigt. Die anschließende Reparatur und die Kosten sind genau beschrieben. Weitere Einträge, die über Reinigungen berichten, sind aus den Jahren 1818, 1910, 1933 und 1963. In dem zuletzt erwähnten Jahr wurde der Leuchter wieder gereinigt und von der Firma Ing. Walter Hauptmann aus Spitzkunnersdorf elektrifiziert.
Auch im Glaskronleuchter von 1816 in der Kirche in Spitzkunnersdorf fand man einen Zettel. Neben den Namen der damaligen Kirchenvorstände ist vermerkt, daß seine Teile in Böhmen gekauft und in Spitzkunnersdorf zusammengebaut wurden. Im Jahre 1861 wurde der Leuchter von der Firma Zincke in Parchen (heute Prácheň, Orsteil von Kamenický Šenov/CZ) restauriert.
Rührend ist die kurze Inschrift, welche ein Monteur und eine Kettlerin, Angestellte der bereits erwähnten Firma Alwin Franz, die aus Nordböhmen stammten, auf einem kleinen Zettel mit dem Datum 10.11.1901 in der von der Fa. Adolph Wilhelm 1835 nach Leutersdorf gelieferten Glaskrone hinterließen. Auf seiner Rückseite steht: „Kalt war es hier, liebe Leser“. Der Zettel wurde bei der Restaurierung durch die Fa. Petr Nemlein, Kamenický Šenov, im Jahre 2014 gefunden.
Auch in der Glasschale vom Cul-de-lampe des Kronleuchters der Kirche von Sohland am Rotstein fand man bei der Renovierung im Jahre 2024 einige Zettel. Auf dem 1894 datierten ist eine Reinigung des Leuchters vermerkt. Zwei weitere Zettel stammen aus Dezember 1920. Auf einem sind verschiedene Ereignisse aus diesem Jahr vermerkt, auf dem anderen die Elektrifizierung des Leuchters durch zwei Elektromonteure aus Obercunnersdorf.
English Translation:
Church Chandelier as Time Capsule? From Harald Skala
In 2016, while doing research on chandeliers in the Evangelical Lutheran churches between Zittau and Löbau for my book ‘Es werde Licht’ (see https://www.lightandglass.eu/2017/berichte-articles/neues-buch-new-book/), I was often asked by the pastors responsible for the church: When and where was our chandelier made?
I was often unable to answer this question. In the church archives, there are hardly any invoices from manufacturing companies to be found, since most chandeliers were donated to the churches by members of the church parishes.
Of the approximately 70 chandeliers that we examined for the book, we only found an invoice from the Reinhold Palme company, issued on 5 November 1883 in the Bohemian town of Haida (now Nový Bor in the Czech Republic), in the church archives of Kottmarsdorf.
On some brass chandeliers, information about the year of donation and the names of the donors are engraved on the balls at the lower end of the chandeliers. We can see this in the churches in Obercunnersdorf, Mittelherwigsdorf, Hirschfelde, Bertsdorf, Oybin and Kemnitz.
On chandeliers with glass hanging, inscriptions can sometimes be found on the glass bowls of the cul-de-lampe. The glass bowl of the chandelier in the church in Wittgendorf is made of ruby-coloured glass, with the inscription in gold. The glass bowl of the cul-de-lampe of the chandelier in Spitzkunnersdorf is gilded on the inside, with the inscription engraved. The cul-de-lampe of the chandelier in the church in Hirschfelde is similarly designed. The glass bowl of the chandelier in Taubenheim is also gilded on the inside; on the outside, there are round, red medallions with inscriptions in gold on both sides. The cul-de-lampe of the chandelier in Leutersdorf is made of dark blue glass and has the shape of an inverted pear. Floral motifs are painted on the outside in gold, with small stars in the lower part; the inscription in an oval is also in gold.
Information about the donator and the year of donation can sometimes be found in medallions or other decorative objects attached to the suspension of the chandeliers. Beautiful examples can be seen in the churches of Obercunnersdorf, Kottmarsdorf and Sohland am Rotstein.
In some cases, the information about the manufacturer is attached to the inside of the chandeliers, usually on the wooden brackets where the glass arms are inserted. We found them on two glass chandeliers in the church at Walddorf and by the same company on the brackets of the chandeliers in Leutersdorf and Bischdorf.
In most cases, it is assumed that the chandeliers with glass trimmings in the Protestant Lutheran churches of southern Oberlausitz were made in northern Bohemia. However, this only applies to the glass trimmings. Many of the chandeliers were assembled in Oberlausitz. In addition to the company of Adolph Wilhelm in Bautzen, which delivered the four glass chandeliers mentioned above in 1854, 1866 and 1867, the company of Alwin Franz in Neugersdorf (today Ebersbach-Neugersdorf) assembled chandeliers with glass hangings at the end of the 19th and beginning of the 20th century (e.g. church in Eibau 1907). The glass hangings also came from glass manufacturers in Northern Bohemia (most of them from Morchenstern, now Smržovka/CZ).
Bischdorf Church
Some of the glass chandeliers in our churches are also small versions of time capsules. During renovations, notes were often found inside, on which data about renovation, cleaning or even electrification were noted.
One of the most detailed was found in the lower sphere of the church’s brass chandelier in Spitzkunnersdorf. The chandelier was donated to the church by Christian Just in 1716. The first entry on the note dates from 1794. After the suspension rope broke on 20 August 1794, the chandelier fell to the ground and was badly damaged. The subsequent repair and the costs are described in detail. Further entries reporting on cleanings are from the years 1818, 1910, 1933 and 1963. In the last-mentioned year, the chandelier was cleaned again and electrified by the company of Walter Hauptmann, an engineer from Spitzkunnersdorf.
A note was also found in the glass chandelier from 1816 in the church in Spitzkunnersdorf. In addition to the names of the church council members at the time, it is noted that its parts were purchased in Bohemia and assembled in Spitzkunnersdorf. In 1861, the chandelier was restored by the Zincke company in Parchen (now Prácheň, part of Kamenický Šenov in the Czech Republic).
The short inscription left by a mechanic and a crystal chain maker, employees of the aforementioned company Alwin Franz, who came from northern Bohemia, on a small piece of paper dated 10 November 1901 in the glass chandelier delivered to Leutersdorf by the Adolph Wilhelm company in 1835, is touching. On the back it says: ‘It was cold here, dear readers’. The note was found during the restoration by the company Petr Nemlein, Kamenický Šenov, in 2014.
Some notes were also found in the glass bowl of the cul-de-lampe of the chandelier in the church of Sohland am Rotstein during the renovation in 2024. The one dated 1894 notes a cleaning of the chandelier. Two other notes are from December 1920. One of them notes various events from that year, the other the electrification of the chandelier by two electricians from Obercunnersdorf.
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